LIMBURG-WEILBURG. Was kann man konkret vor Ort für Umwelt- und Klimaschutz sowie eine zukunftsfähige Landwirtschaft tun? Darüber diskutierten unter der Moderation von Alicia Bokler und auf Einladung der SPD Limburg Weilburg Professor Dr. Andreas Gattinger, Hochschullehrer für ökologischen Landbau an der Justus-Liebig-Universität Gießen und im Nebenerwerb Bewirtschafter des Tannenhofes in Selters, Jörg Sauer (SPD), Erster Kreisbeigeordneter und Dezernent für den Ländlichen Raum, Umwelt, Veterinärwesen und Verbraucherschutz im Landkreis Limburg-Weilburg und Marco Hepp, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Limburg-Weilburg und Landwirt aus Dauborn.
„Die Landwirtschaft ist ein essenzieller Baustein beim Umwelt- und Klimaschutz und die Landwirte sind bereit ihren Beitrag zu leisten. Das muss dann aber auch von den Verbrauchern und der Gesellschaft anerkannt werden, denn die Landwirtschaft wird es am Ende nicht alleine leisten können“, betonte der Agrarbetriebswirt Marco Hepp. Jeder müsse bei sich selbst beginnen um zu einem nachhaltigen Wirtschaften zu kommen und dafür sein Konsumverhalten sowie den eigenen Ressourcenverbrauch überdenken. „Mir kommt zu kurz, dass die Gesellschaft Ihren Beitrag am Thema anerkennet“, bekräftigte der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes, der rund 600 Mitgliedern im Kreis Limburg-Weilburg vertritt und im Hauptberuf seinen Betrieb mit 100 Hektar Ackerland sowie 3.000 Zuchtsauen und Ferkeln in Dauborn bewirtschaftet.
„Als Dezernent ist es mir wichtig die unterschiedlichen Bereiche und Akteure zusammenzuführen. Unsere Landwirtschaft sichert durch die Nahrungsmittelproduktion unser Leben, ebenso brauchen wir eine intakte Umwelt, die wiederum auch als Grundlage zum Betreiben der Landwirtschaft nötig ist. Ich verstehe es als meine Aufgabe diese Interessen unter einen Hut zu bringen. Dazu gehört auch ein Bewusstsein bei den Verbrauchern für die Ernährung und die unmittelbaren Folgen für die Landwirtschaft zu wecken.“, so Sauer. „Wir sind Teil der Ökomodellregion, die uns neue Möglichkeiten eröffnet. Dabei ist mir eine regionale Vermarktung der heimischen landwirtschaftlichen Produkte wichtig, da diese auch einen Beitrag für das Tierwohl und den Klimaschutz leistet“, bekräftigte Sauer.
Die heimischen Landwirte seien für jede regionale Lösung zu haben, stimmte Marco Hepp zu. Aber auch das müsse am Ende von den Verbrauchern mitgetragen werden. Heute gebe es enorme Erwartungen an Verfügbarkeit sämtlicher Produkte zu jeder Zeit. Dieser Widerspruch müsse aufgelöst werden, so der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes, der sich für mehr Pragmatismus bei den landwirtschaftlichen Produktionsrichtungen aussprach. Die Landwirte gingen bereits einen ressourcen- und umweltschonenden Weg, etwa durch die Fruchtfolge und eine nachhaltige Düngung im Ackerbau.
„Böden kann man nicht beliebig vermehren. Deshalb muss der Flächenverbrauch bei allen Planungen eine wichtige Rolle spielen. Landwirtschaftliche Flächen können nicht immer weiter beschnitten werden, denn Landwirtschaft muss möglich bleiben“, sagte der Erste Kreisbeigeordnete Jörg Sauer. Diesen „Flächenfraß“ und den Wegfall fruchtbarer Böden kritisierte auch Prof. Dr. Gattinger, der zu bedenken gab, dass sich zahlreiche Kommunen und ihre Bürgermeister gerne mit neuen Gewerbegebieten ein Denkmal setzen würden. Die Landwirtschaft werde heute in die planetaren Grenzen gezwängt, aber in den drei zentralen Bereichen Industrie, Verkehr und Wohnungsbau, die für den Klimaschutz besonders wichtig seien, tue sich bislang leider wenig.
Prof. Gattinger plädierte für eine radikale Agrar- und Ernährungswende. Die Verbraucher beeinflussten durch ihren Konsum gleichermaßen den Anbau von Feldfrüchten wie auch die Tierhaltung. „Artenvielfalt, Tierwohl und Klimaschutz brauchen klare Rahmenbedingungen und Regeln. Freiwilligkeit bleibt am Ende nur Kosmetik“, so Gattinger. Künftig müsse Agrobiodiversität eine größere Rolle spielen, bei der in Streifen mehrere Kulturen zeitlich und räumlich gemeinsam angebaut. „Es ist notwendig die Tierhaltung und unser Agrar- und Ernährungssystems umzubauen. Viele Feldfrüchte enden heute als Futtermittel in der Tierhaltung.“, kritisierte Professor Gattinger.
Angesprochen wurden auch Lebendtiertransporte, die ein enormes Problem für das Tierwohl darstellen könnten, insbesondere wenn die Transporte über extrem lange Strecken erfolgten. „Dieses Thema muss mit großer Energie angepackt werden. Wir beobachten und überwachen Tiertransporte sehr genau. Am besten wäre es, wenn Tiertransporte über enorme Entfernungen durch mehr Regionalität nicht mehr nötig wären.“, sagte SPD-Spitzenkandidat Jörg Sauer. Dazu brauche es regionale Verarbeitungs- und Vermarkungsstrukturen. „Mein Ziel ist es, eine Markthalle für die Vermarktung regionaler landwirtschaftlicher Produkte bei uns im Landkreis an einem zentralen Ort eröffnen zu können. Das wäre ein großartiger Beitrag, der gleichzeitig den Verbrauchern, dem Umweltschutz und dem Tierwohl zugutekommt“, machte Jörg Sauer deutlich. Es bleibe beim Ziel gemeinsam mit allen Beteiligten und den Fachämtern der Kreisverwaltung die beste Lösung für die Region zu erreichen.
Moderatorin Alicia Bokler griff den Vorschlag von Marco Hepp gerne auf die Diskussion persönlich fortzuführen, sobald die Pandemielage dies wieder zulässt. „Umwelt- und Klimaschutz sowie eine zukunftsfähige Landwirtschaft sind uns wichtige Anliegen, die wir gerne gemeinsam und im engen Dialog miteinander bearbeiten und voranbringen wollen.“, bekräftigte Bokler, die den Diskussionsteilnehmern für ihre fachlichen Ausführungen und die Teilnahme an dem Austausch dankte. Die gesamte Diskussion kann auf dem YouTube-Kanal der SPD Limburg-Weilburg unter https://www.youtube.com/watch?v=OOY4SUZjL-8&t=1235s weiterhin angeschaut werden.