Der Hessische Landtag hat heute in Erster Lesung über das so genannte „Gute-Zukunft-Sicherungsgesetz“ debattiert. Mit diesem Gesetz möchte die schwarzgrüne Landesregierung einen Schattenhaushalt in Höhe von mindestens zwölf Milliarden Euro einrichten, aus dem bis Ende 2023 Maßnahmen finanziert werden sollen, die nach Auffassung der Landesregierung dazu beitragen können, die Folgen der Corona-Krise abzumildern. Da das so genannte „Sondervermögen“ vollständig mit Hilfe von neuen Schulden gebildet werden soll, muss der Landtag nach aktueller Gesetzeslage eine Ausnahme von der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen. Die Landesregierung ist also auf die Unterstützung der SPD-Fraktion angewiesen.
Deren haushaltspolitischer Sprecher, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Marius Weiß, formulierte in der Debatte die erheblichen Zweifel der SPD-Abgeordneten an der Notwendigkeit des Sondervermögens.
Weiß sagte: „Erforderlich ist aus unserer Sicht zunächst ein zweiter Nachtragshaushalt. Darin lassen sich sowohl die zu erwartenden Steuerausfälle als auch die Corona-bedingten Mehrausgaben für das Jahr 2020 abbilden. Wir sind bereit, darüber zu verhandeln und einen solchen Nachtragshaushalt auch mit zu beschließen. Aber so klar wir die Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts sehen, für den wir ausdrücklich die Hand reichen, so unklar ist für uns die generelle Notwendigkeit des Sondervermögens, das die Landesregierung sich wünscht.“
Das Sondervermögen sei ein Schattenhaushalt, stellte Weiß fest. Mit der Ermächtigung der Landesregierung für ein Sondervermögen gebe das Parlament einen erheblichen Teil seiner Souveränität ab. „Und ich sage bewusst ‚das Parlament‘, nicht ‚die Opposition‘, denn hier geht es nicht um einen Interessenkonflikt zwischen schwarzgrüner Koalition und der Opposition, sondern zwischen Regierung und Parlament“, so Weiß. Wenn der Landtag dem Schattenhaushalt zustimme und dafür mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Ausnahme von der Schuldenbremse beschließe, habe die Landesregierung in den kommenden drei Jahren weitgehend freie Hand bei der Verwendung der beantragten zwölf Milliarden Euro. Die in dem Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehen Kontrolle der Ausgaben durch den Haushaltsausschuss des Landtags könne das Budgetrecht des Parlaments nicht ersetzen.
Zweifel seien auch bei der Höhe des Sondervermögens angebracht, so Marius Weiß. Zwölf Milliarden Euro entsprächen einem Drittel des gesamten Landeshaushalts und vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Weiß warnte: „Die Verschuldung Hessens würde auf einen Schlag um 30 Prozent steigen. Im Verhältnis zur Wirtschaftskraft will sich in der Corona-Krise kein Bundesland höher verschulden als Hessen. Dem kann ein Parlament nicht einfach zustimmen.“
Auch inhaltlich gebe es Anlass zu Misstrauen gegenüber den Plänen der Landesregierung, stellte Marius Weiß fest. Strukturelle Änderungen und dauerhafte Verbesserungen suche man in den Plänen der Landesregierung vergeblich. Hingegen mute vieles, was aus schwarzgrüner Sicht dazu beitragen solle, die Krise zu bewältigen, seltsam an. „Vor allem die Grünen sind da in die Vollen gegangen. Von der Gebäudesanierung bis zum Fahrradständer ist alles dabei. Es fehlt eigentlich nur ein Förderprogramm für Krötentunnel, um die Krötentunnelindustrie zu stützen, die sicherlich auch unter Corona leidet“, sagte Weiß.
Auch stelle sich die Frage, warum das Sondervermögen unbedingt jetzt und sofort eingerichtet werden müsse. Der Finanzminister habe den Kommunen gerade erst mitgeteilt, dass er über deren Anteil an der Krisenbewältigung erst im Spätsommer verhandeln könne, wenn die nächste Steuerschätzung und das Konjunkturprogramm der Bundesregierung vorlägen. „Warum also sollen wir der Landesregierung jetzt schon einen Blankoscheck über zwölf Milliarden Euro ausstellen – ohne die Steuerschätzung und die Details des Konjunkturpakets des Bundes zu kennen?“, fragte Marius Weiß.